Beim Lahmen lernt man Hinken by Holm Landrock

Beim Lahmen lernt man Hinken by Holm Landrock

Autor:Holm Landrock
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658240011
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden


© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

H. LandrockBeim Lahmen lernt man Hinkenhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-24001-1_22

22. Die Spreu ist stolz, weil sie beim Weizen liegt

Holm Landrock1

(1)Berlin, Deutschland

Holm Landrock

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Seit der griechischen Antike plagt sich die Menschheit mit Epigonen. Ein vergleichbares Sprichwort lautet: Kleine Fürsten haben große Hofnarren. Beide Sprichwörter nehmen satirisch das Verhalten von Lakaien auf’s Korn. Lakaien, die von der Stärke des Weizens träumen und Lakaien, die stolz sind, weil sie beim größten Fürsten dienen, unter dem sie jemals dienen können. Das Sprichwort mit den Fürsten verweist ganz nebenbei darauf, dass es diesen natürlich schmeichelt, mit größeren Narren als denen, die der König sich leisten kann, zu brillieren.

Der Mensch bedarf der Anerkennung und Anerkennung ist grundsätzlich nicht verwerflich. Das Verwerfliche liegt im übersteigerten Bedürfnis nach Anerkennung. Ein übersteigertes Bedürfnis nach Anerkennung haben kleine Fürsten. Deshalb umgeben sie sich mit großen Hofnarren und besonders ergebenen Hofschranzen. Ein übersteigertes Bedürfnis nach Anerkennung haben aber auch die Hofschranzen, die sich freuen, bei ihrem Fürsten zu sein, wie die Spreu, die sich freut, beim Weizen liegen zu dürfen.

Das ist gerade so wie in einem inhabergeführten Unternehmen, in dem sich einzelne Mitarbeiter zu Günstlingen des Geschäftsführers „emporarbeiten“, mithin den Status einer Hofschranze erreichen. Das erreichen sie nur selten durch berufliche Glanzleistungen, sondern oft durch (von der Unternehmensführung geradezu erwünschte) Spitzeltätigkeiten, durch Denunziantentum und Speichelleckerei.

So geschehen in einem deutschen Dienstleistungsunternehmen. Hier gab es sogar eine Form einer rekursiven Schleife. Der geschäftsführende Inhaber, selbst aus proletarischen Verhältnissen stammend, hatte es durch Bauernschläue und ein gewisses Quäntchen Glück zu einem eigenen Unternehmen gebracht, das seine Dienstleistungen auch einigermaßen erfolgreich an den Kunden brachte. Zu den Kunden zählte ein Unternehmen mit Produktionsstätten und Vertriebsniederlassungen in aller Herren Länder.

Natürlich sonnte sich dieser Kleinunternehmer im Glanze seiner guten Kontakte zur mittleren und sogar zur oberen Führungsebene seines Kundenunternehmens, freute sich also, als Spreu beim Weizen liegen zu dürfen. Es ist ja auch ein gutes Gefühl, ein Unternehmen mit Renommee als Kunden zu haben. (Der Unternehmer war früher selbst als Mitarbeiter in einer Entwicklungsabteilung einer der mehr als hunderttausend Mitarbeiter dieses Unternehmens gewesen. Gerade so, wie die Spreu früher gemeinsam mit dem Korn an der Ähre hing und diese schützte).

Als Unternehmer war er zu einem kleinen Fürsten geworden. Deshalb hielt er sich zwei Hofschranzen – hier also Mitarbeiter, die sich vor allem darum kümmerten, dem kleinen Fürsten zu schmeicheln. Der Unternehmer konnte sich über seine zwei Hofschranzen freuen: Zeigte dies doch immerhin wozu er es schon gebracht hatte.

Einer dieser Hofschranzen wurde, trotz fehlender Fremdsprachenkenntnisse zum Statthalter in der ersten Auslandsniederlassung. Die beiden, Chef und Schranze, ergänzten sich einfach auf wunderbare Art und Weise, ohne dem Unternehmensziel nur im Geringsten zu nützen.

Die Konsequenzen waren ebenso klar wie unabwendbar: Das Geschäft des Unternehmers, der immer öfter den Statthalter auf die Kunden losließ, verlor immer öfter gegenüber den Konkurrenten. Letztendlich wurde das Unternehmen zu wichtigen Ausschreibungen und Wettbewerbspräsentationen nicht mehr eingeladen. Das ist logisch, denn die Kunden sind nicht dumm, auch wenn das einem in der eigenen Überheblichkeit gelegentlich so vorkommt. Die Kunden wollten sich einfach nicht mehr von den Hofschranzen abspeisen lassen.



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